TEBEA Steuerberatungsgesellschaft mbH

Wirksamkeit einer fehlerhaften Geschäftsführerbestellung nach satzungsdurchbrechendem Beschluss?

Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis sichert den Rechtsverkehr, heilt aber nicht den Beschluss

Stefan Engels und Jana Maria Hötel *

In der Praxis wird der Fall, dass der Geschäftsführer einer GmbH auf der Grundlage eines nichtigen oder rechtskräftig für nichtig erklärten Beschlusses der Gesellschafterversammlung bestellt wird, üblicherweise mithilfe der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis gelöst. Dessen Anwendung sorgt dafür, dass Handlungen des fehlerhaft bestellten Geschäftsführers behandelt werden wie solche eines korrekt bestellten Geschäftsführers. Das Thema ist allerdings in einen größeren Zusammenhang eingebettet und betrifft auch die Frage, welche rechtlichen Folgen sog. satzungsdurchbrechende Beschlüsse der Gesellschafterversammlung haben.

I. Bestellung eines Geschäftsführers

1. Pflicht der Gesellschaft zur Bestellung

Der Geschäftsführer ist neben der Gesellschafterversammlung ein notwendiges Organ einer GmbH. Zu seiner Bestellung ist die Gesellschaft verpflichtet. Sie kann auch mehrere Geschäftsführer haben (vgl. § 6 Abs. 2 GmbHG).

[i]Die Bestellung erfolgt grds. durch die Gesellschafterversammlung (§ 6 Abs. 3 Satz 2, § 46 Nr. 5 GmbHG). Die Gesellschafter können aber wegen des dispositiven Charakters des § 46 GmbHG (vgl. § 45 Abs. 2 GmbHG) von der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung abweichen und ein anderes Gesellschaftsorgan – wie etwa den Aufsichts- oder Beirat – zur Entscheidung über die Bestellung bestimmen (Beurskens in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 24. Aufl. 2025, § 6 Rz. 46). Selbst einem einzelnen Gesellschafter kann die Bestellungskompetenz übertragen werden; es bleibt lediglich die Bestellung an sich verpflichtend (vgl. Beurskens, a. a. O., § 6 Rz. 47).

[i]Werden keine abweichenden Regelungen in der Satzung getroffen, wird der Geschäftsführer einer GmbH durch Gesellschafterbeschluss mit einfacher Mehrheit (§ 47 Abs. 1 GmbHG) ernannt, wobei die Satzung der GmbH wegen § 45 Abs. 2 GmbHG zu den Mehrheitserfordernissen ebenfalls abweichende Regelungen treffen kann.S. 3275

[i]Der Beschluss über die Bestellung kann, muss aber nicht durch eine hierzu eigens einberufene Gesellschafterversammlung erfolgen. Er kann auch im Rahmen einer Satzungsänderung oder – insbesondere bei Neugründung einer GmbH – in der Gründung der Gesellschaft gefasst werden. Wird also ein Geschäftsführer erstmalig im Zuge der Gründung einer GmbH oder bei späterer Satzungsänderung unmittelbar im Gesellschaftsvertrag bestimmt, ist ein darüberhinausgehender Bestellungsakt durch die Gesellschafterversammlung nicht erforderlich; eine erneute Einberufung der Versammlung kann unterbleiben.

Erläuterung:Grund hierfür ist, dass bei einer Entscheidung über den organschaftlichen Vertreter im Gesellschaftsvertrag bereits eine Gesellschafterversammlung zur Satzungsänderung stattgefunden hat und der Bestellungsbeschluss lediglich zur Vereinfachung in die Satzung aufgenommen wird (vgl. M. Goette in Münchener Kommentar zum GmbHG, 5. Aufl. 2025, § 6 Rz. 65).

[i]Die Bestellung eines Geschäftsführers muss nicht unbefristet erfolgen, auch wenn das GmbHG diese Bestellung als Grundfall annimmt (vgl. Neuhöfer in BeckOGK, GmbHG, § 6 Rz. 145, Stand: ). Vielmehr ergibt sich aus der ständigen Widerruflichkeit der Bestellung des Geschäftsführers nach § 38 GmbHG die Zulässigkeit einer Befristung durch das zuständige Gesellschaftsorgan (vgl. Neuhöfer, a. a. O., § 6 Rz. 145).

2. Annahme der Bestellung und Anmeldung zum Handelsregister

[i]Liegt eine Bestellung durch das zuständige Gesellschaftsorgan vor, muss der Geschäftsführer seine Bestellung – ausdrücklich oder konkludent – annehmen (vgl. Rensen/Bergjan in Saenger/Inhester (Hrsg.), GmbHG, § 46 Rz. 32, 33). Bei der Annahme handelt es sich um ein notwendiges Element der Geschäftsführerbestellung, ohne das die Bestellung schwebend unwirksam ist (vgl. M. Goette, a. a. O., § 6 Rz. 62). Die anschließende Handelsregisteranmeldung (§ 39 Abs. 1 GmbHG, § 12 Abs. 1 Satz 1 HGB) hat lediglich deklaratorische Wirkung (Rensen/Bergjan, a. a. O., GmbHG § 46 Rz. 32, 3399). Zur Anmeldung ist ein Nachweis über die Bestellung sowie eine Versicherung über das Vorhandensein der persönlichen Voraussetzungen des Geschäftsführers beizubringen.

3. Voraussetzungen in der Person des Geschäftsführers

Es steht der Anmeldung nicht entgegen, wenn der Geschäftsführer nicht zugleich Gesellschafter der GmbH (Gesellschafter-Geschäftsführer) ist. Auch ein Dritter kann zum (Fremd-)Geschäftsführer bestellt werden (vgl. M. Goette, a. a. O., GmbHG § 6 Rz. 62). Jedoch muss der Geschäftsführer, ob gesellschaftsangehörig oder gesellschaftsfremd, die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 GmbHG erfüllen.

[i]Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Darüber hinaus dürfen in der Person des Geschäftsführers keine im Negativkatalog des § 6 Abs. 2 Satz 2 enthaltenen Ausschlusstatbestände erfüllt sein. Eine Person kann daher nicht Geschäftsführer einer GmbH sein, wenn sie der Betreuung in Vermögensangelegenheiten unterstellt ist, ihr gegenüber ein Berufs- oder Gewerbeverbot besteht, wenn der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt oder sie für eine der in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 genannten Katalogtaten verurteilt worden ist, wobei Letzteres nur einen Ausschluss der Bestellung für fünf Jahre begründet (vgl. M. Goette, a. a. O., § 6 Rz. 24-41).

[i]Wird eine beschränkt geschäftsfähige oder gar geschäftsunfähige Person zum Geschäftsführer bestellt, so ist die Bestellung durch den Widerspruch zu § 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG nichtig. Grund hierfür ist die absolute Wirkung der durch Gesetz vorgegebenen positiven und negativen Eignungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 GmbHG, welche zur S. 3276Nichtigkeit des Beschlusses führen (§ 134 BGB; dazu M. Goette, a. a. O., § 6 Rz. 48). Nichtig ist der Bestellungsbeschluss auch dann, wenn der Geschäftsführer eine gesetzliche Eignungsvoraussetzung erst nach dem Zeitpunkt der Bestellung erfüllt (M. Goette, a. a. O., GmbHG § 6 Rz. 49).

Beispiel:G wurde bereits eine Woche vor seinem 18. Geburtstag zum Geschäftsführer der A-GmbH bestellt, deren Unternehmensgegenstand die Entwicklung von IT-Dienstleistungen ist. Das der Bestellung nachfolgende Erreichen des 18. Lebensjahrs führt nicht zur Heilung der Bestellung. Sie bleibt nichtig, sodass es einer erneuten Bestellung bedarf (M. Goette, a. a. O., § 6 Rz. 49).

Die nur deklaratorisch wirkende ursprüngliche Eintragung im Handelsregister ist unzulässig und kann vom Registergericht von Amts wegen gelöscht werden (§ 395 Abs. 1 Satz 1 FamFG).

II. Änderungen der Geschäftsführerbestellung

1. Satzungsändernder Beschluss

[i]Ist in der Satzung eine befristete Bestellung des Geschäftsführers vereinbart, soll der Geschäftsführer aber entgegen der Satzungsbestimmung unbefristet oder für längere Zeit, als die Satzung dies vorsieht, bestellt werden, muss die Satzung geändert werden. Satzungsänderungen fallen in die alleinige Kompetenz der Gesellschafterversammlung (§ 53 Abs. 1 GmbHG). Eine Übertragung auf ein anderes Organ der Gesellschaft scheidet aus (vgl. Born in BeckOGK, a. a. O., § 53 Rz. 125 Stand: ).

[i]Der Beschluss muss den weiteren Anforderungen der §§ 53 und 54 GmbHG genügen. Eine Satzungsänderung bedarf daher mindestens einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen (§ 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag andere Erfordernisse aufstellt (vgl. § 53 Abs. 2 Satz 2 GmbHG).

Die notarielle Beurkundung des Beschlusses (vgl. § 53 Abs. 3 Satz 1 GmbHG) ist ebenso erforderlich wie eine Eintragung in das Handelsregister (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 GmbHG).

Hinweis:Werden bei der Beschlussfassung über die Geschäftsführerbestellung alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung, insbesondere die notarielle Beurkundung und Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister, eingehalten, ist die Änderung ohne Weiteres wirksam (vgl. Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 53 Rz. 58).

2. Satzungsdurchbrechender Beschluss

Wird ein Beschluss gefasst, der der Satzung oder den §§ 53 und 54 GmbHG widerspricht, ist fraglich, welche Rechtsfolgen er hat.

[i]Werden die Voraussetzungen der §§ 53 und 54 GmbHG im Einzelfall durch einen gegen die Satzung verstoßenden Beschluss der Gesellschafterversammlung nicht eingehalten und gilt die Satzung für die Zukunft im Übrigen unverändert fort, so handelt es sich um einen sog. satzungsdurchbrechenden Beschluss (vgl. Altmeppen, a. a. O., § 53 Rz. 59; Harbarth in Münchener Kommentar zum GmbHG, a. a. O., § 53 Rz. 45). Innerhalb der satzungsdurchbrechenden Beschlüsse wird zwischen dem zustandsbegründenden und dem punktuell satzungsdurchbrechenden Beschluss unterschieden.

Hinweis:Ob den Gesellschaftern bewusst sein muss, dass sie im Einzelfall von der Satzung abweichen, wird unterschiedlich beurteilt (vgl. Leuschner, ZHR 180 (2016) S. 3277S. 422). Während teilweise ein sog. Abweichungsbewusstsein gefordert wird (Winner in W. Goette/Habersack, Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl. 2025, AktG § 179 Rz. 239), wird andererseits das Bewusstsein der Gesellschafter über die Abweichung als unbeachtlich betrachtet (Noack in Noack/Servatius/Haas, a. a. O., § 53 Rz. 46).

a) Zustandsbegründender satzungsdurchbrechender Beschluss

[i]Ein zustandsbegründender satzungsdurchbrechender Beschluss führt einen andauernden rechtlichen Zustand herbei, welcher von dem Satzungsinhalt abweicht und selbst bei einstimmiger Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung nichtig wäre, sofern die Voraussetzungen einer Satzungsänderung nach §§ 53 und 54 GmbHG nicht vorliegen (Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2024 S. 527). Dabei ist es unerheblich, ob die Dauerwirkung der Abweichung von der Satzung nur für einen begrenzten Zeitraum oder unbegrenzt eintritt (Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2024 S. 527).

b) Punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse

Punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse sind nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar (Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2024 S. 527). Grund hierfür ist, dass sich die Wirkung der die Satzung verletzenden Maßnahme der Gesellschafterversammlung lediglich in einem Einzelakt erschöpft und die Satzung künftig unverändert fortwirken soll (Harbarth, a. a. O., § 53 Rz. 45).

aa) BFH zum satzungsdurchbrechenden Vorabausschüttungsbeschluss

[i]Die Behandlung punktueller Satzungsdurchbrechungen war lange Zeit umstritten. Der BFH hat im Jahr 2022 (Urteil v.  – VIII R 20/20, BStBl 2024 II S. 697) entschieden, dass ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden war und von keinem Gesellschafter angefochten werden konnte, als „zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss“ der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Nach Ansicht des Gerichts sind punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse,

„deren Wirkung sich in der betreffenden Maßnahme als Einzelakt erschöpft, sodass die Satzung durch den Beschluss zwar verletzt wird, aber nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert werden soll,“

nicht nichtig, aber anfechtbar (entsprechend § 243 Abs. 1 AktG).

bb) BGH zum satzungsdurchbrechenden Abberufungsbeschluss

[i]Auch der , NWB KAAAJ-71521) hat zwischenzeitlich einen punktuell satzungsändernden Beschluss als wirksam angesehen. In seinem Urteil befasste sich das Gericht mit dem Beschluss zur Abberufung eines Geschäftsführers. Der Beschluss war unter Verstoß gegen die satzungsmäßige Zuständigkeitsregelung der Gesellschaft zustande gekommen.

Sachverhalt: [i]Die Zuständigkeit zur Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers einer GmbH, deren einziger Gesellschafter ein Verein ist, liegt satzungsgemäß bei einem aus vier Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrat. Die streitbefangene Abberufung des Geschäftsführers der GmbH erfolgt in einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung durch Vertreter des Vereins. S. 3278

In [i]der Literatur wird der Beschluss zur Abberufung eines Geschäftsführers unter Verstoß gegen zuständigkeitsregelnde Satzungsbestimmungen teilweise als zustandsbegründender Beschluss gewertet, da die Abberufung einen dauerhaft wirkenden Zustand darstelle (so Altmeppen, a. a. O., § 53 Rz. 64; Habersack, ZGR 1994 S. 354, 362 f.). Der BGH hat hingegen einen punktuell satzungsdurchbrechenden Beschluss angenommen, da bei der kompetenzwidrigen Abberufung kein rechtlicher Zustand begründet werde, welcher dauerhaft von der Satzung abweiche (, Rz. 46).

Erläuterung:Die Verletzung der Satzung betrifft das Zustandekommen des Beschlusses, nicht die darauffolgende Wirkung der Beendigung. Sie erledigt sich spätestens mit seiner Bekanntgabe an den Geschäftsführer. Die Beendigung des Organverhältnisses ist kein satzungswidriger rechtlicher Zustand. Sie wäre auch eingetreten, wenn der Geschäftsführer sein Amt in Übereinstimmung mit der Satzung verloren hätte (, Rz. 46).

III. Rechtsfolgen der fehlerhaften Bestellung eines Geschäftsführers

Welche Schlussfolgerungen werden für die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Bestellung eines Geschäftsführers gezogen?

1. Ignorieren der Fehlerhaftigkeit der Bestellung

[i]Leidet die Bestellung eines Geschäftsführers unter einem Wirksamkeitsmangel, so spricht man von einem fehlerhaft bestellten Geschäftsführer (vgl. Fleischer in Münchener Kommentar zum GmbHG, a. a. O., § 43 Rz. 271). Verstößt ein Beschluss z. B. gegen ein gesetzliches Verbot, wird durch ihn ein von der Satzung dauerhaft abweichender rechtlicher Zustand begründet oder wird der Beschluss erfolgreich angefochten und damit rückwirkend ( ex tunc) beseitigt, so findet grds. die Lehre von dem fehlerhaften Organverhältnis Anwendung, sofern die betroffene Person die Bestellung angenommen und die Geschäftsführertätigkeit aufgenommen hat (vgl. Bayer/J. Schmidt in BeckOGK GmbHG, § 35 Rz. 48, Stand: ). Über die Grundsätze dieser Lehre werden Handlungen des vermeintlichen Geschäftsführers im Ergebnis als wirksame Handlungen für und gegen die GmbH angesehen.

[i]Ist der Beschluss fehlerhaft, so ist ein Vollziehen des Organverhältnisses zwingend für die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Bestellung. Es genügt, wenn die Organtätigkeit aufgenommen wurde und ausgeübt wird (vgl. , DB 1995 S. 1326).

[i]Zudem darf durch höherrangige Allgemeininteressen oder solche besonders schutzbedürftiger Personen kein Ausschlussgrund gegeben sein, welcher die Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Organverhältnisses ausschließt. Ein entgegenstehendes Interesse von höherrangiger Bedeutung ist der Minderjährigenschutz.

2. Rechte und Pflichten des fehlerhaft bestellten Geschäftsführers

[i]Nach der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis hat der fehlerhaft bestellte Geschäftsführer bei Vorliegen der zuvor genannten Voraussetzungen die gleichen Rechte und Pflichten, als wäre er ordnungsgemäß bestellt worden (vgl. Hüffer/Schäfer in Habersack/Casper/Löbbe (Hrsg.), GmbHG, 3. Aufl. 2020, § 49 Rz. 6). Diese Wirkung kann aus Gründen der Rechtssicherheit nur für die Zukunft beendet werden und tritt erst mit der Beendigung des Organverhältnisses ein (vgl. Bayer/J. Schmidt, a. a. O., § 35 Rz. 48).

[i]Zu denselben Rechten und Pflichten zählt auch das Recht zur Vertretung der Gesellschaft nach außen, sodass sich keine Unterschiede zu einem ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführer ergeben. Eine Gegenansicht verlangt darüber hinaus zur Annahme der Vertretungsmacht die Eintragung in das Handelsregister, da erst nach S. 3279erfolgter Eintragung die Rechtsscheingrundsätze des § 15 HGB greifen (vgl. im Einzelnen: Nachweise bei Strohn, DB 2011 S. 158; ausführlich Gaub, GmbHR 2022 S. 669, Rz. 21 ff. m. w. N.).

Hinweis:Geht ein Gesellschafter gegen die fehlerhafte Bestellung des Geschäftsführers im Weg der Anfechtungsklage vor, so bleibt der potenziell fehlerhaft Bestellte dennoch bis zur gerichtlichen Entscheidung zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt (vgl. Altmeppen, a. a. O., § 35 Rz. 25).

IV. Beispielsfall aus der Praxis

1. Sachverhalt

Die ordnungsgemäß geladene Gesellschafterversammlung der A-GmbH (fünf Gesellschafter, die alle anwesend sind) beschließt Ende Januar 2025 mehrheitlich (60 %), G ab dem für fünf Jahre zum neuen Geschäftsführer zu bestellen. Die Satzung der A-GmbH sieht vor, dass die Bestellung eines Geschäftsführers auf höchstens zwei Jahre zu befristen ist. Die Bestellung wird notariell beglaubigt und in das Handelsregister ohne einen Hinweis auf die fünfjährige Befristung eingetragen. G schließt im Februar mehrere Kaufverträge für die GmbH mit einem Gesamtvolumen von 100.000 € ab.

2. Lösung

[i]Der Beschluss der Gesellschafterversammlung verstößt zum einen gegen die Satzungsregelung, wonach ein Geschäftsführer für höchstens zwei Jahre bestellt werden darf. Zum anderen ist der Beschluss nicht mit der nach § 53 Abs. 2 Satz 2 GmbHG vorausgesetzten Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst worden. Da die Satzung unverändert fortwirken soll, handelt es sich um einen satzungsdurchbrechenden Beschluss.

[i]Bei einem satzungsdurchbrechenden Beschluss hängt die Wirksamkeit der Bestellung davon ab, ob der Verstoß gegen die Befristungsregelung punktuell oder zustandsbegründend wirkt (vgl. Schöpflin in BeckOK BGB, § 33 Rz. 17, Stand: ). In Anlehnung an die Entscheidung (s. II, 2, b, bb) könnte von einem punktuell wirkenden Verstoß ausgegangen werden, sofern man allein auf die Unwirksamkeit des Bestellungsakts an sich abstellt. Die Einordnung erweist sich jedoch als schwierig, da nahezu jeder Satzungsverstoß Folgewirkungen auslöst, welche einen Dauerzustand begründen können. Dies gilt insbesondere für die Bestellung des Geschäftsführers, durch die das Organverhältnis in Vollzug gesetzt wird und die die – dauerhafte, das Zweieinhalbfache des durch die Satzung zugelassenen Zeitraums vorsehende – Grundlage der Tätigkeit des Geschäftsführers darstellt. Diese Wirkung spricht dagegen, dass sich die Bestellung des Geschäftsführers im Beschluss erschöpft.

Hinweis:Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall handelt es sich im Beispiel zudem um eine von der Satzung nicht vorgesehene Geschäftsführerbestellung über den Zeitraum von zwei Jahren hinaus. Der durch den Beschluss ausgelöste Zustand einer auf fünf Jahre befristeten Bestellung des Geschäftsführers kann nur mittels einer Satzungsänderung herbeigeführt werden. Demgegenüber hätte im Fall ) lediglich ein anderes Organ handeln müssen, während die Abberufung als solche grds. zugelassen war.

[i]Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss scheidet somit aus; es handelt sich aufgrund der Dauerwirkung vielmehr um einen zustandsbegründenden satzungsdurchbrechenden Beschluss (so auch im Ergebnis DNotI-Report 2025 S. 113). Daher ist unter S. 3280Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. ; , BGHZ 123 S. 15; , NWB IAAAH-23985, Rz. 70; , NWB YAAAJ-46817; ) die Bestellung des G unwirksam.

Hinweis:Ob ein nichtiger Beschluss umgedeutet werden kann (§ 140 BGB), ist offen und höchstrichterlich noch nicht geklärt, wird aber – u. E. überzeugend – vertreten (vgl. DNotI-Report 2025 S. 113).

FazitDie Abgrenzung zwischen zustandsbegründenden und punktuell satzungsdurchbrechenden Beschlüssen ist schwierig und mit Rechtsunsicherheiten behaftet. Bei der satzungswidrigen Abberufung eines Geschäftsführers betrifft nach Ansicht des BGH die Verletzung der Satzung das Zustandekommen des Beschlusses und erledigt sich spätestens mit seiner Bekanntgabe an den Geschäftsführer. Die Beendigung des Organverhältnisses ist danach kein satzungswidriger rechtlicher Zustand. Dies gilt aber nicht für die fehlerhafte Bestellung eines Geschäftsführers. Denn das Organverhältnis wird vollzogen; die Bestellung ist dauerhaft die Grundlage hierfür. Ob eine Umdeutung eines rechtswidrigen Beschlusses in Betracht kommt, bleibt vorerst offen. Bis zur weiteren Klärung durch den BGH empfiehlt sich eine vorsichtige Praxis. Entweder sollte die Satzung vor einem Beschluss ordnungsgemäß angepasst oder es sollte zeitnah eine satzungskonforme (Neu-)Bestellung des Geschäftsführers vorgenommen werden. Die Lehre von der fehlerhaften Bestellung des Geschäftsführers sichert zwar den Rechtsverkehr, heilt aber nicht den Fehler und lässt Anfechtungs- und Organstreitrisiken bestehen.

Fundstelle(n):
NWB 2025 Seite 3274 – 3280
NWB HAAAK-04700