TEBEA Steuerberatungsgesellschaft mbH
NWB Nr. 42 vom Seite 2882

Die Kündigung des GmbH-Geschäftsführers

Überblick über eine komplexe und praxisrelevante Materie

Prof. Dr. Stephan Arens *

Die rechtliche Stellung des GmbH-Geschäftsführers ist in vielen Bereichen umstritten und gleichzeitig höchst praxisrelevant. Immer wieder bereitet die fast alltägliche Situation der Kündigung eines Geschäftsführers im Unternehmensalltag Schwierigkeiten. Der Beitrag zeigt anhand von Fällen „Fallstricke“ und Lösungsmöglichkeiten auf. Er orientiert sich dabei inhaltlich an den Ausführungen in Klein/Müller/Arens/Bietmann, Praxishandbuch der GmbH – Gesellschafts- und Steuerrecht, 5. Aufl. 2025.

I. Rechtliche Einordnung eines Geschäftsführervertrags

[i]Der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH ist kein Arbeitsvertrag (vgl. §§ 611, 611a BGB); vielmehr ist er ein auf die Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramts gerichteter freier Dienstvertrag. Dieser regelt die Rechtsbeziehungen zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft, welche nicht bereits durch die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers vorgegeben sind (vgl. , ZIP 2000 S. 508, 509; , ZIP 1989 S. 1190, 1191, zur AG).

[i]Da ein Arbeitsverhältnis nicht vorliegt, finden die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) keine Anwendung. Dies wird durch die gesetzliche Regelung in §14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG bestätigt, welche im Weg einer negativen Fiktion die Unanwendbarkeit der allgemeinen Kündigungsschutzbestimmungen im ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes für Organvertreter einer juristischen Person [i]unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses im Einzelfall anordnet (, NWB XAAAC-43999, Rz. 6). Ein Kündigungsgrund, also ein verhaltens-, personen- oder betriebsbedingter Grund, ist nicht erforderlich.S. 2883

II. Gesetzliche Kündigungsfristen

1. Kündigungsfrist abhängig von der zeitlich bemessenen Vergütung

[i]§ 622 Abs. 2 BGB sieht bei Arbeitsverhältnissen Kündigungsfristen vor, die umso länger ausfallen, je länger das Arbeitsverhältnis bereits andauert. Während ein Arbeitsverhältnis, das in einem Betrieb oder Unternehmen zwei Jahre bestanden hat, mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden kann, ist ein Vertragsverhältnis, das 20 Jahre bestanden hat, erst sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats kündbar. Demgegenüber bestimmt § 621 BGB für freie Dienstverhältnisse, dass [i]eine Kündigung davon abhängig ist, in welchen Zeiträumen die vereinbarte Vergütung bemessen ist. Danach ist eine Kündigung an jedem Tag für den Ablauf des folgenden Tags zulässig, wenn die Vergütung nach Tagen bemessen ist, und unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen für den Schluss eines Kalendervierteljahrs, wenn die Vergütung nach Vierteljahren oder längeren Zeitabschnitten bemessen ist. Ist die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen, kann ein Dienstverhältnis im Grundsatz jederzeit gekündigt werden.

[i]Da das BGB Regelungen zur Kündigung von Dienstverhältnissen enthält, fehlt es an einer ausfüllungsbedürftigen planwidrigen Regelungslücke, die eine entsprechende Anwendung des § 622 Abs. 2 BGB auf die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags zulässt (vgl. , NWB RAAAH-54960).

Hinweis:Es macht somit für die Kündigung einen großen Unterschied, ob für ein Dienstverhältnis ein Monats- oder Jahresgehalt vereinbart wird. Um eine Kündigung rechtssicher aussprechen zu können, sollten Kündigungsfristen ausdrücklich zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer vereinbart werden.

2. Fall

a) Sachverhalt

[i]G und die B-GmbH schlossen am einen Geschäftsführerdienstvertrag. G war nicht an der GmbH beteiligt. Besondere Vereinbarungen zum Kündigungsschutz wurden nicht getroffen. Sein Gehalt erhielt G monatlich ausgezahlt. Nachdem es im Zusammenhang mit der Bestellung eines Mitgeschäftsführers zu Unstimmigkeiten gekommen war, berief die Gesellschafterversammlung G als Geschäftsführer ab und erklärte mit Schreiben v.  die „fristgerechte Kündigung“ des Anstellungsvertrags. G begehrt die Feststellung, dass das Anstellungsverhältnis durch die Erklärungen der B-GmbH nicht aufgelöst worden ist.

b) Lösung

[i]Die anwendbare Kündigungsfrist ergibt sich im vorliegenden Fall für das Dienstverhältnis zwischen G und der B-GmbH aus § 621 Nr. 3 BGB, wonach eine Kündigung spätestens am 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats zulässig ist, da die Vergütung nach Monaten bemessen ist. Das Anstellungsverhältnis wurde daher Ende März 2025 beendet.

III. Vereinbarte Kündigungsfristen

1. Zulässige Vereinbarung vom Gesetz abweichender Kündigungsfristen

Den Parteien eines Geschäftsführervertrags steht aufgrund der privatautonomen Gestaltungsfreiheit frei, die Geltung arbeitsrechtlicher Normen zu vereinbaren und auf diese Weise deren Regelungsgehalt zum Vertragsinhalt zu machen.S. 2884

Hinweis:Wegen der Nachrangigkeit des Anstellungsverhältnisses gegenüber der Organstellung dürfen solche dienstvertraglichen Abreden allerdings nicht in die gesetzliche oder statutarische Ausgestaltung des Organverhältnisses eingreifen ().

[i]Da Organ- und Anstellungsverhältnis nach dem der Regelung des § 38 Abs. 1 GmbHG zu entnehmenden Trennungsgrundsatz in ihrem Bestand unabhängig voneinander sind, wird die Bestellungs- und Abberufungsfreiheit der Gesellschafterversammlung durch die Einschränkung der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags nur mittelbar berührt. Eine abweichende Vereinbarung ist daher zulässig.

[i]Auch zwingende Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes stehen mit einer solchen Regelung nicht im Widerspruch. Eine Ausdehnung des Kündigungsschutzes auf vertraglicher Grundlage ist zulässig, sodass sich aus dem Kündigungsschutzgesetz keine Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Vereinbarung ergeben, die auf eine entsprechende Anwendung des allgemeinen Kündigungsschutzes über dessen gesetzlich geregelten Geltungsbereich hinaus abzielt.

Fraglich ist dann aber, in welchem Umfang und mit welchen inhaltlichen Modifikationen die jeweiligen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes kraft der von den Parteien getroffenen Vertragsabrede Anwendung finden sollen.

2. Fall

Aus Gründen der Rechtssicherheit sollten in einem Geschäftsführeranstellungsvertrag ausdrücklich Kündigungsfristen vereinbart werden. Aber auch bei diesen Formulierungen ist Vorsicht angebracht, wie eine Entscheidung des , NWB WAAAD-45962) zeigt.

a) Sachverhalt

Der Geschäftsführeranstellungsvertrag enthält folgende Regelung (in Anlehnung an ):

§ […]

„Der Vertrag wird auf unbestimmte Dauer geschlossen.

Dieser Vertrag kann ab dem mit einer Kündigungsfrist von neun Monaten zum Quartalsende gekündigt werden. Für den Geschäftsführer gilt dieselbe Kündigungsfrist.

Für die Kündigung gelten im Übrigen zugunsten des Geschäftsführers die Bestimmungen des deutschen Kündigungsschutzrechts für Angestellte. Das Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften bleibt unberührt.“

b) Lösung

[i]Die Vereinbarung einer abweichenden Kündigungsfrist ist unproblematisch möglich. Was aber gilt, wenn wie im vorliegenden Fall die Geltung des „Kündigungsschutzgesetzes“ vereinbart ist? Die Klausel zielt nach Wortlaut und Sinnzusammenhang darauf ab, dem Geschäftsführer für den Fall einer ordentlichen Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags durch die Gesellschaft über die vereinbarte Kündigungsfrist hinaus eine zusätzliche, den Schutzwirkungen des Kündigungsschutzgesetzes entsprechende Rechtsposition einzuräumen. Daher ist die Wirksamkeit der Kündigung vom Erfordernis S. 2885eines Kündigungsgrundes i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG abhängig. Vorliegen muss also ein verhaltens-, personen- oder betriebsbedingter Grund.

[i]Zwar kann der Verlust der Organstellung durch Abberufung als Geschäftsführer eine personenbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sein (, NWB YAAAG-35181). Dies kann aber so pauschal nicht richtig sein. Wäre dies zutreffend, wäre also die Abberufung als Geschäftsführer ein in der Person des Geschäftsführers liegender Grund zur Kündigung, hätte es die Gesellschaft selbst in der Hand, mit einer Abberufung nach [i]ihrem Belieben zugleich auch den vertragsgemäß erforderlichen Kündigungsgrund für die Beendigung des Anstellungsverhältnisses selbst zu schaffen. Dies gilt vor allem deshalb, da eine solche Abberufung nach § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit möglich ist.

[i] Die Formulierung, dass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finden soll, ist daher dahingehend zu verstehen, dass die Vertragsauflösung durch richterliche Entscheidung (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2, § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG) möglich sein soll. Der Gesellschaft kann im Fall einer wegen fehlender materieller Rechtfertigung unwirksamen Kündigung das Recht eingeräumt werden, durch einseitige Erklärung das Anstellungsverhältnis gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung aufzuheben, deren Höhe im Rahmen des § 10 KSchG nach Maßgabe der §§ 315 ff. BGB zu bestimmen ist.

IV. Exkurs: Anwendung des „klassischen“ Arbeitsrechts auf den GmbH-Geschäftsführer?

Beim Fremdgeschäftsführer und bei dem geschäftsführenden Gesellschafter, der in der GmbH keine beherrschende Stellung einnimmt, stellt sich immer wieder die Frage, ob der Geschäftsführer Arbeitnehmerschutzrechte für sich in Anspruch nehmen kann.

[i]Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und infolge verschiedener Urteile des EuGH treffen den Arbeitgeber erhebliche Mitwirkungspflichten (s. nur , NWB JAAAH-06807, und C-684/16; , NWB RAAAJ-42460; , NWB YAAAH-33921, Rz.21, und , NWB HAAAJ-40087). [i]So müssen Arbeitgeber Arbeitnehmer rechtzeitig auf drohenden Urlaubsverfall hinweisen. Fraglich ist, ob diese Vorschrift, welche sich eigentlich an Arbeitnehmer richtet, auch für den GmbH-Fremdgeschäftsführer gilt.

Sachverhalt:Der Geschäftsführeranstellungsvertrag wurde zum wirksam gekündigt. Es stellt sich heraus, dass der Geschäftsführer in den Jahren 2023 und 2024 insgesamt zehn ihm zustehende Urlaubstage nicht genommen hatte. Die Gesellschaft hatte ihn hierauf nicht hingewiesen. Sind die Urlaubstage abzugelten?

[i]Das Bundesarbeitsgericht (, NWB VAAAJ-52384) hat die Anwendbarkeit des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) auf den Geschäftsführer bejaht. Das Gericht stellt darauf ab, dass das Gesetz die Vorgaben der europäischen Arbeitszeitrichtlinie umsetzt. Daher sei der Anwendungsbereich, also die Frage, wer Arbeitnehmer im Sinn der Richtlinie sei, europarechtskonform zu bestimmen. Damit gilt die Definition des Europäischen Gerichtshofs (vgl. , NWB SAAAK-00175):

Arbeitnehmer ist, wer „eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für S. 2886einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält“

[i]Nach Auffassung des EuGH können von dieser Definition auch Mitglieder eines Leitungsorgans einer Kapitalgesellschaft erfasst sein und sich damit auf europarechtliche Arbeitnehmerschutzvorschriften berufen. Denn die Eigenschaft als Arbeitnehmer im Sinn des Unionsrechts hängt von den Bedingungen ab, unter denen z. B. ein Geschäftsführer bestellt wurde, der Art der ihm übertragenen Aufgaben, dem Rahmen, in dem diese Aufgaben ausgeführt werden, dem Umfang der Befugnisse des Mitglieds und der Kontrolle, der er innerhalb der Gesellschaft unterliegt, sowie der Umstände, unter denen er abberufen werden kann. In die Gesamtwürdigung der Umstände ist einzubeziehen, in welchem Umfang der geschäftsführende Gesellschafter über seine Anteile an der Willensbildung der Gesellschaft teilnimmt. Demnach kam das BAG in seiner Entscheidung v.  (9 AZR 43/22) dazu, dass der Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer anzusehen war, da er strengen Weisungen unterlag.

[i]Wird daher der GmbH-Fremdgeschäftsführer – wie im Sachverhalt geschildert – nicht auf den Verfall seiner Urlaubsansprüche hingewiesen, erlöschen nicht genommene Urlaubsansprüche nicht mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Ansprüche entstanden sind. Vielmehr werden die Urlaubsansprüche auf das nächste Kalenderjahr übertragen und entsprechend fortgeschrieben. Zuständig für die Information ist die Gesellschafterversammlung, der eine Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG zukommt. Der Fremdgeschäftsführer kann als Gläubiger der entsprechenden Informationen nicht gegenüber sich selbst die Verpflichtung erfüllen.

Hinweis:Der EuGH hatte bereits in der „Danosa“-Entscheidung (Urteil v.  – C-232/09, NWB SAAAE-15681) festgestellt, dass auch Organe juristischer Personen Arbeitnehmer im europarechtlichen Sinn sein können. Zudem hat der BGH entschieden, dass ein GmbH-Fremdgeschäftsführer in Bezug auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Arbeitnehmer sein kann (, NWB QAAAH-14011).

FazitDer Geschäftsführervertrag mit dem Fremdgeschäftsführer oder dem nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ist sorgfältig zu formulieren, wird doch in diesem das zivilrechtliche Dienstverhältnis im Einzelnen ausgestaltet. Die aufgezeigten, dabei auftretenden möglichen „Fallstricke“ lassen sich durch auf den Einzelfall angepasste Vertragsklauseln umgehen. Auch das Arbeits- und das Sozialrecht knüpft an die jeweilige Stellung des Geschäftsführers unterschiedliche Rechtsfolgen. So ist ein Fremdgeschäftsführer oder ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer fast immer sozialversicherungspflichtig tätig.